Sonntag, 16. Oktober 2016




Sensationelle Enthüllung
 
In meiner Eigenschaft als offizieller Mitarbeiter des DIO-6 Sektion der inneren Sicherheit und meiner Nebentätigkeit in der Feldforschung des NA-BS, sind mir zwischen dem 23.06. und 17.09.2016 diverse E-Mails unter dem Namen „STORAC“ zugespielt worden, allerdings nicht über meine dienstliche BDE-Adresse, sondern über den externen Server des Büros für Planstruktur und Hyberglistik. Der Absender der E-Mails schrieb mir zunächst einige kryptische Algorhythmen, die vermuten ließen, dass es sich hierbei um eine Sensitive Zoorastic- Source handelte, doch spätere Nachrichten, diesmal unter dem erweiterten Pseudonym STORAC-Z1, machten deutlich, dass es sich um Material handelte, das direkt aus dem National IACHAV-Archiv der Kernabteilung zu stammen schien. STORAC-Z1 erläuterte in einer Auflistung und eines einfach zu entschlüsselnden Charts sein System, mit dem er mir oder anderen Kontaktpersonen, die ebenfalls in Verbindung zum GG-Superfrob stehen. Dieses System offenbarte, dass dies nicht einfach nur ein AP-Hoax sein konnte, sondern ein authentisches Bi-Origal. Ich weiß, das klingt unglaublich.
Zunächst zögerte ich, diese Informationen meinem XO mitzuteilen, doch nach der fünften E-Mail, die eine exakte Genealogie der Grammatur vom 12.08.2004 enthielt, konnte ich es nicht mehr für mich behalten. Mein XO, den ich hier nicht namentlich nennen kann, informierte das Encoding-Büro, um die Daten, die zu leicht von unautorisierten Personen oder Leuten entziffert werden konnten, zu verschlüsseln. Dies geschah derart effizient, dass selbst ich mit einer ZOTA-22-Clearance nicht mehr in der Lage wäre, sie zu lesen. Zum Glück jedoch saß ich an der direkten Quelle, die nicht bereit war, jemand anderen als mich zu kontakten. So bekam ich direkte Einsicht in die Delta-Dokumente und das Bananenprogramm.
Mein Kontakt jedoch teilte mir in einer weiteren E-Mail vom 07.09.2016 mit, dass er überraschend an Lymphdrüsenkrebs erkrankt ist, was darauf schließen ließ, dass ein dritter Receiver, der eine höhere Bubatuba-667017101zb8 besaß, auf höchst dubiosem Wege Einblick in die E-Mails erlangen konnte und Maßnahmen gegen meinen STORAC-Z1 ergriffen hatte. Aus Sicht meines XO, der viel umfangreichere Erfahrungen in solchen Operationen hatte, äußerte sofort den Verdacht, es handele sich um eine eigentlich veraltete Kalter-Zehennagel-Vorgehensweise, auch bekannt unter TBI-Waddel-31.
Lassen wir mal das tragische Schicksal meines Kontakts außer Acht, ist dieser Mailverkehr ein spektakulärer Durchbruch und wäre für jeden Nachrichtendienst, auch ohne Delta-Rektal-Mandat, von höchstem Interesse. Meine Dienststelle sowie die Verantwortlichen in den Bereichen Sozialsedierung, Nahrungstoxikation, Atomare Enthropie, Bluthund-Hybrid-Kloning und Publikumsvernichtung werden in den kommenden Wochen einen verheißungsvollen Plan ausarbeiten, wie wir den Inhalt kontrapunktieren und damit die Sättigung der Sanitärsysteme auf Bundesebene perfektionieren können. Fäkalien brauchen Exkremente, jetzt mehr denn je.
 
Tod dem National IACHAV-Archiv!
 
gez. „Die Nase“


Mittwoch, 5. November 2014

WICHTIG ...



WICHTIG

Manchmal, wenn du in deiner Bude hockst und kaum ein Geräusch hörst, vielleicht mal ein Husten von nebenan oder ein vorbeifahrendes Auto, kannst du dir überhaupt nicht vorstellen, dass dort draußen noch sieben Milliarden andere Menschen umherwuseln. Es erscheint dir vollkommen unglaubwürdig, wie solch eine gigantische Menge von Individuen überhaupt Platz finden kann auf so einem kleinen Planeten, und dabei noch Raum für Stille erhalten bleibt.
Und noch viel verwirrender ist für dich die Tatsache, dass du überhaupt existierst und hier sitzt, und du fragst dich, warum du dir solche Gedanken machst, denn sicher bist du damit nicht allein und folgerst, dass eigentlich niemand weiß, was er hier eigentlich soll und dass alles Wirken und Leben vielleicht vollkommen unmotiviert ist und zu nichts führt.




Stell dir mal vor, wie viele Menschen im Verlauf der Geschichte schon gestorben, wie viele Schicksale über die Erde geweht sind und was all dies letztlich ausgemacht hat. Natürlich erinnert man sich an gewisse Leute wie William Shakespeare oder Julius Caesar, aber nimm mal an, sie wären einfach vergessen worden. Hätte doch überhaupt nichts ausgemacht, und alles wäre wie immer, oder falls anders, würde es niemand merken. Und wenn es keine Autos gäbe, säßen wir halt immer noch auf Pferden, und ohne Einstein hätten wir anstatt E-Mails unser altes Briefpapier. Ist doch einerlei.




Plötzlich bekommst du eine Krankheit, und der Arzt sagt dir, dass es verdammt ernst ist und nun die medizinische Maschinerie in Gang gesetzt wird, um dich kleines Wesen zu retten. Oder du hast Pech und wirst mit deinen Problemen ignoriert. Oder du ignorierst die bipolare Störung deines Nachbarn und hilfst nur noch jeder dritten alten Dame über die Straße. Du spendest nichts für hungernde Kinder, sondern lieber für Robbenbabys, und meldest dich eines Tages sogar bei deinem besten Freund nicht mehr, schreibst stattdessen auf Facebook mit einem Japaner, den du nie treffen wirst.
Macht das alles wirklich etwas aus, oder macht es wirklich gar nichts aus, oder nur in einem mikroskopisch kleinen Rahmen, den du irgendwie aufwerten musst, um nicht verrückt zu werden?




Wer erdreistet sich eigentlich zu entscheiden, was wichtig ist, und was nicht? Müssen wir ständig und immer wieder neu in einem völlig unmotivierten Universum einen Pfahl in den Boden schlagen? Ist das nicht das gleiche, als wenn man in einen Ozean spuckt? Nun, vielleicht bringt es was, wenn sieben Milliarden ihre Pfähle schlagen oder spucken.
Aber dann haben wir einen Boden aus sieben Milliarden Pfählen oder einen Ozean aus Spucke, und mit welchem Recht behaupten wir, dies sei ein entscheidender Unterschied?




Du beschließt nun, ein neues Handy zu kaufen und dir die Haare zu färben. Irgendwas muss ja. Leben ist Veränderung.
Schließlich wird im Fernsehen deine Lieblingsserie wiederholt, und du freust dich. Diese kleine Freude erscheint dir realer als alle Fakten, mit denen du täglich torpediert wirst und die dir als bedeutend verkauft werden.
Deine Freude schwillt so sehr an, dass du sie mit irgendwem teilen musst, also postest du etwas dazu. Und als du feststellt, dass es keinen interessiert, erkennst du, dass dies in die gleiche Kategorie fällt wie diese Angewohnheit von Leuten, ihr Mittagessen zu fotografieren und ihren Hund als einzig wahren Freund lobpreisen.
Und hätten wir Einstein nicht vergessen, könnten wir sagen, dass immer und überall alles relativ sein wird. Also mach dir mal keine Gedanken über die Dinge, die andere Menschen wichtig finden.
Deine Serie fängt gleich an.




Wöchentliches Film-Experiment: Der Vlog auf YouTube. Klick auf das Bild zur Playlist.






Freitag, 17. Oktober 2014

Funke ...



FUNKE


Das Attentat auf einen Monarchen wurde zum letzten Tropfen eines Fasses, das den ersten Weltkrieg auskippte.
Zwei Jahrhunderte zuvor ließ der Schlag mit einem Tomahawk Franzosen und Engländer aufeinander losgehen, trotz der gewaltigen Größe des neuen Landes.




Ein Funke bringt Gas zur Explosion. Die Spaltung eines Atoms kann Hunderttausende töten und jahrzehntelanges Leid an Mensch und Natur verursachen.
Doch ebenso kann es ein Wort sein, ein Blick, und es gibt Krieg. Manchmal auch etwas Gutes, wie Liebe oder Einigung, vielleicht auch nur Konsens.




Der Funke löst nur etwas aus, mit dem man schon längst schwanger geht, aber dieses eine Quantum an Energie, wie das der Materie beim Urknall, macht die Sensation unausweichlich.




Stell Dir vor, Du könntest all diese Funken einfangen, in Deinen hohlen Händen bewahren und alles verhindern. Keine Kriege, keine Explosionen, keine Liebe.
Ohne Funken keine Welt, nur ein dickes Monstrum in Starre.




Mittwoch, 8. Oktober 2014

Geister ...



GEISTER

Menschen, die zu Geistern werden ...

Sie wandern vorbei an meinen Augen, werden von ihrer Zukunft fortgezogen und hinterlassen ein unscharfes Echo, oder eine rätselhafte Momentaufnahme voller Fragen.

Mein eigenes Bild wabert in ihren Erinnerungen wie ein kleiner Nebel zwischen zwei Türen, wie ein alter Stuhl oder eine Lichtspiegelung. Ich bin ebenso Geist wie sie.




Geister sind wir, außerhalb unserer Blutbahnen, außerhalb unseres Gehirns, unseres Sauerstoffs. Überallhin verstreuen wir unseren Spuk und unsere gutgemeinten Lügen, und auch die Maske unserer Schönheit geht mit ihnen auf Tournee.

In meinem Kopf wohnen tausend Geister. Und immerfort werden neue erschaffen, und ich weiß nicht, ob es eine Herabsetzung oder Versöhnung ist, wenn ich einen von ihnen entlarve. Was ist aus Dir geworden, Freund? Wo bist Du, und was tust Du?




Deine Antwort fällt, ob von Dir selbst gegeben oder von mir phantasiert, in den schon angestaubten Trichter Deine Chimäre. Du wirst nicht mehr real. Du bist unglaublich weit weg.

Manchmal brauche ich die wirkliche Hand in meiner, die Wellen einer Stimme an meinem Ohr, um mich zu vergewissern, dass ich mir selbst noch Mensch und nicht der Versuchung erlegen bin,
meinen eigenen Geist im Spiegel zu sehen.
Halt mich fest. Lass uns die Erde bei ihrer Kreisbahn spüren. Lass uns bleiben und gemeinsam wandern, mit all den Gestern, die wir mit uns tragen ...




Freitag, 5. September 2014

DER WORTINGER - Kurze Zeilen zum Kurzfilm


DER WORTINGER

Ein Film von Guido Ahner und Daisy Nachtwey

Aus irgendeinem Same unserer sprachüberfluteten Zivilisation ist ein mysteriöses Wesen entsprungen, das aufgrund seiner Gewohnheit, neue Worte zu erfinden, "Der Wortinger" genannt wird.

Dieser Kurzfilm versucht, die Fragen zu diesem Phänomen zu bündeln und diesen Wortinger, auch mit Hilfe bislang ungezeigter Aufnahmen von Augenzeugen, greifbarer werden zu lassen. Ist er real oder ein Geist? Und steckt hinter seinen Wortschöpfungen eine Bedeutung?
Gewiss kann dieser kurze Film nur einen Anriss anbieten, nur Fragen stellen und den Diskurs fokussieren, doch er versucht ebenso, zu reflektieren und Ansätze für eine Bilanz anzubieten, die natürlich viel zu verfrüht wäre. Oder vielleicht ist es sowieso zu spät für Bilanzen, weil jeder Sinn schon an uns vorübergeflossen ist und uns nur noch die Schalen der Begriffe übriggeblieben sind.

Doch ein Rätsel bleibt er, dieser Wortinger. Ein Grusel, ein Alb, eine melodramatische Anklage. Haben wir als aufgeklärte, gut codierte Rezipienten das verdient?


Länge: 24 Min.
BRD 2014


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Donnerstag, 26. Juni 2014

Mein Freund Lennox – Kurzgeschichte in neun Teilen – Teil IX



Zusammen im Bett wurden alle Fragen verbrannt und allem getrotzt, was als Mysterien diesseits oder jenseits des Sees herumschwirrte.
Sich ganz dem Anderen und dem Wir zu widmen, wurde zu einer Rebellion, eine Beweisführung für den freien Willen.
Tavie und Lennox liebten sich hingebungsvoll und ohne Worte, sprachen nur durch Berührungen und Blicke, und durch ihre Körper.
Der Winter schickte ein wildes Schneegestöber über das Haus. Der See bibberte, die weißen Wipfel standen starr und vereist. Im Innern der Holzhauses wohnte die Wärme, so wie sie sich selbst am liebsten sah. Die Wärme zweier Leiber und Seelen, sich erhaltend und beschützend und Wonne schenkend. Das Innere des Hauses war nicht mehr und nicht weniger als ein Fleck in einer Ödnis, eine kleine Unebenheit in der Savanne und ein kleiner Stern in der Schwärze. Es war der Kontrast, der der Welt einen Ausdruck gab, der ein Gesicht zum Lächeln oder zum Weinen, der es wiedererkennbar machte.
Die Fensterläden blieben verschlossen, der Kamin glühte, und die Balken knarrten im Wind.
In den Laken blieb alles geschützt und miteinander verwoben. Ein Knäuel des Guten, wenn auch nur aus der Sicht der beiden Menschen, ohne eine Maxime zu sein.
Der Schlaf versiegelte alles. Er dauerte sehr lang und war nicht nur Schlaf, sondern auch Beharren, wie das Graben eines Loches oder die Errichtung eines Turms. Ehern und von Menschenhand gemacht. Bewusst und voll von Selbstverständnis.
Lennox wusste nicht, ob es Nacht oder Tag war, als er die Augen aufschlug.
Ihm fiel sofort auf, dass der so vertraute Herzschlag, dieser liebliche Atem dicht bei ihm, nicht mehr zu hören und zu spüren war.
Tavie lag auf dem Rücken, die Augen geschlossen, und sie war nicht mehr am Leben.
Er sah sie nur an. Es war nicht nötig, ihre Vitalzeichen zu überprüfen. Lennox lehnte es ab, zu verstehen, was geschehen war. Er blickte in einen grässlichen Abgrund, aus dem eine namenlose Stimme herausflüsterte und sagte, dass nichts selbstbestimmt sein konnte, dass es alles gestaltet und geplant wurde. Nah am Wahnsinn schloss er Tavies Körper in seine Arme. Blitze des Irrsinns zermürbten ihn, scharf und gleichzeitig schwer wie Felsblöcke.
Er wickelte ihren Körper vorsichtig ein, von Kopf bis Fuß. Mechanisch hob er sie auf seine Arme und trug sie hinaus auf den Steg. Das Boot war völlig verschneit, aber das spielte keine Rolle. Er legte Tavie hinein und stieß das Boot mit der Stange auf den See hinaus.
Lange saß er dort und sah zu, wie das Boot langsam aus seinem Sichtfeld verschwand, so als würde es gezogen werden. Lennox schaute gen Himmel, als könnte er dort diese Kraft finden, die alles lenkte, die ihn und Tavie zusammengeführt und getrennt hatte.
Als er fast erfroren war, schleppte er sich zum Haus zurück, das nun ihm gehörte. Ein Tausch hatte stattgefunden. Lennox konnte das alles nicht in seiner Ganzheit fassen, das Erleben und die neue Einsamkeit, die er gut genug kannte, von früher.
Innerlich vollkommen taub, setzte er sich und nahm sich ein Buch, das irgendwo herumlag. Lennox konnte nicht nachdenken, und wenn er ein Gefühl zuließ, hätte es ihn zerstören können. Er sah die Pistole neben dem Kamin liegen. Er nahm sie und legte sie vor sich auf den Tisch. Er konnte sie jederzeit benutzen. Doch zunächst las er das Buch, eine amüsante Geschichte um Eifersucht und Betrug. Er konnte Tavie überall an sich riechen, und es liefen Tränen über sein Gesicht. Er kochte sich einen Tee, zog sich einen von Tavies Pullovern an, legte Feuer nach und spielte weiter. Das Spiel des Daseins. Er spielte atmen und trinken, essen und gehen und sitzen und denken.
Es verging ein Tag, und danach noch einer. Eine Woche flog vorbei, und ein neuer Monat begann.
Es wurde irgendwann milder. Der Schnee verschwand.
Lennox kümmerte sich um den Gemüsegarten und legte neue Fallen aus. Ihm war es egal, ob er nun ersatzweise Tavies Leben lebte oder sein eigenes in einer anderen Form. Er ertappte sich dabei, wie er sich von Tavie erholte. Das hieß nicht, dass er irgendeine neue Hoffnung aufkeimen ließ, er hatte nur begonnen, eine neue Kälte in sich selbst zuzulassen. Wenn er ehrlich war, dann musste er zugeben, das Absolute erfahren zu haben, für eine sehr kurze Zeit. Doch von der Intensität konnte er lange zehren, und wenn er tatsächlich glaubte, alles sei fremdgesteuert, müsste er vielleicht jemandem danken.
Lennox hatte zu angeln begonnen und verbuchte dabei sogar einigen Erfolg.
Er konnte auch schnitzen und fertigte einige lustige Figuren an, die er um das Haus herum stellte.
Eine davon sah aus wie ein kleines Skelett, finster schauend, wie aus einem Gruselfilm.
Es stand direkt auf einem der Pflöcke des Stegs. Als Lennox gerade im Haus einen Hasen ausnahm, erblickte das hölzerne Skelett ein Boot, das aus den Weiten des Sees auf den Steg zuhielt.

ENDE